Senat streut Berlinern Schnee in die Augen
Mit großen Ankündigungen, dass nun alles besser wird, hat der Senat kürzlich eine Verschärfung der Räum- und Streupflicht für Grundstücksbesitzer beschlossen. Nach den Erfahrungen des letzten Winter sollte sich das Schneechaos nicht wiederholen. Die Realität sieht anders aus.
Der Senat erklärte nach dem letzten Winter, dass die gesetzlichen Regelungen Schuld am Schnee- und Eischaos gewesen sein. Gerade noch rechtzeitig vor dem Winter hat er deshalb das Berliner Straßenreinigungsgesetz geändert. Im Wesentlichen beinhaltet die Änderung nichts weiter als einen Verschiebebahnhof von Verantwortlichkeiten. So konnten Anlieger die Verpflichtung zur Schneebeseitigung nach bisheriger Rechtslage an eine Winterdienstfirma übertragen. Nun ist dies nicht mehr möglich. Damit kehrt die zuständige Senatorin Lompscher (LINKE) in die Zeit vor 1979 zurück. Auch damals konnten die Anlieger die Verantwortlichkeit nicht an Dritte übertragen. Und auch damals wurde man den Folgen des strengen Winters 1978/79 mit dieser Regelung nicht Herr.
Die Rückkehr zur alten gesetzlichen Regelung bewirkt also nichts außer höheren Kosten für Hauseigentümer und Mieter. Die Mindestbreite für freigeräumte Wege wird erhöht. Aus einer Streupflicht wird eine Räumpflicht. Auch Eis muss beseitigt werden. Die Grundstücksverbände und die Wohnungsunternehmen beziffern die Mehrkosten auf 30 Millionen Euro. Effektiv wäre hingegen das Ausbringen von Streusalz auf Geh- und Radwegen, wie es auch schon auf Straßen möglich ist. Dies sollte in den Ausnahmefällen schneereicher Winter gerechtfertigt sein, da der Staat das Verfassungsgebot auf körperliche Unversehrtheit seiner Bürger vorrangig zu schützen hat. Für normale Winter hat sich das Straßenreinigungsgesetz in seiner bisherigen Fassung bewährt. Für einen Ausnahmewinter brauchen wir eine Art Katastrophenplan.
Wie die Antwort auf eine Kleine Anfrage von mir zeigt, haben wir auch kein Regelungsproblem, sondern ein Umsetzungsproblem. Wenn bis heute nicht einmal in 20 Prozent der Fälle überhaupt Bußgeldbescheide verschickt wurden und davon die Mehrzahl der Fälle aufgrund von Einsprüchen nicht einmal abgeschlossen sind, dann zeigt dies nur die unzureichende Umsetzung der bestehenden Gesetze. Wir brauchen keine neuen Gesetze und höhere Kosten für Grundstücksbesitzer. Wir brauchen eine konsequente und kontrollierbare Umsetzung der geltenden Rechtslage.
Kommentare (4)
Mario Czaja
Heute wurde in der Berliner Morgenpost auf Basis der oben genannten Kleinen Anfrage berichtet: http://www.morgenpost.de/printarchiv/berlin/article1482499/Wintergesetz-Richter-schonen-Hausbesitzer.html
Frank B.
Die Erhöhung der Mindestbreite von 1 auf 1,5 Meter findet erst im November 2011 und auch hier nur für Straßen der Reinigungsklassen 1 und 2 statt.
Das Hauptproblem des verschärften Straßenreinigungsgesetzes ist und bleibt der neue § 6, nach dem Eigentümer und Anlieger die Verantwortung nicht mehr auf eine Winterdienstfirma übertragen können: In der Folge wird der Winterdienst von seiner Verantwortung entbunden und liegt nun hiermit in der Praxis bei völlig unerfahrenen Eigenheimbesitzern und älteren Mitbürgern, die sich im kommenden Jahr mit Bußgeldbescheiden und Schadensersatzforderungen gefallener Passanten konfrontiert sehen.
Außerdem hat § 6 die Ordnungsämter entmachtet. Bisher konnten diese auf die beim Amt für regionalisierte Ordnungsaufgaben hinterlegten Daten der verantwortlichen Winterdienstfirmen zurückgreifen und diesen auf direktestem Wege in den Hintern treten.
Seit dem 18.11. gilt das nicht mehr, die Ordnungsämter müssen jetzt erstmalig die Eigentümer ermitteln (Eigentümer > Hausverwaltung > Winterdienst?!), hieran haben die Befürworter der Gesetzesänderung aber gar nicht gedacht.
Dabei hatte der Bundesgerichtshof noch am 22.01.2008 klipp und klar und anhand eines Berliner (!) Falls festgestellt, dass selbstverständlich derjenige, der Auftrag und Geld annimmt, damit auch in der Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung des Winterdienstes steht.
Der neue § 6 widerspricht dem BGH und gehört schleunigst in ein Normenkontrollverfahren, um ihn auf Verfassungsmäßigkeit hin zu überprüfen.
Er hat das Problem nicht entschärft, sondern stattdessen – wie wir bisher erfahren mußten – erheblich verschlimmert.
Der Schwarze Peter liegt nicht bei den Ordnungsämtern, sondern denen, die uns die Gesetzesänderung eingebrockt haben.
Mario Czaja
Sehr geehrter Herr B.
Ihre Meinung teile ich. Die Argumente habe ich in einem früheren Beitrag hier auch formuliert. Mit der nun vorgelegten Beantwortung der Kleinen Anfrage wurde jedoch darüber hinaus deutlich, dass selbst die “alte” Regelung nicht richtig kontrolliert werden konnte.
Ihre Argumente zeigen, es wird mit der Gesetzänderung nicht besser, sondern schlechter. An dieser Stelle sei erlaubt zu sagen, dass Ihre Argumente den Vertretern von SPD und Linken vor der Beschlussfassung nicht unbekannt waren; sie wurden im Rahmen der Anhörung zum Gesetzvorhaben von Herrn Blümmel von “Haus und Grund” im Ausschuss vorgetragen.
Siehe dazu das Wortprotokoll der Anhörung
http://www.parlament-berlin.de:8080/starweb/adis/citat/VT/16/AusschussPr/guv/guv16-064-wp.pdf
Um so fragwürdiger, dass dieses Gesetz dann beschlossen wurde, finde ich auch.
Bernhard Stern
Ich räume jeden Morgen und Abend vor meinem Grundstück.
und dann kommt man in die Stadt…
Es fängt schon an er Bushaltestelle an….
Wer schreibt mal einen Strafbescheid an die Stadt?
Etwa das Ordnungsamt.
Ich lach mich tod.!!!!