Diskussionsabend mit General a.D. Kujat in der Grünen Bühne
Seit drei Jahren dauert nun schon der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Laut Wall Street Journal im September 2024 sind seit Kriegsbeginn 80.000 tote ukrainische Soldaten und 400.000 verletzte Ukrainer zu beklagen. Russland hat 200.000 Tote zu beklagen und wohl mehr als 400.000 Verwundete. Zusammen also über eine Million Tote und Verwundete auf beiden Seiten. Überprüfbare Daten und Zahlen liegen nicht vor. Aber unfassbares menschliches Leid ist in fast jeder Familie in der Ukraine zu erleben und bei vielen zehntausenden Familien in Russland ebenso.
Der Krieg ist mitten in Europa, nicht weit von uns: Kiew liegt nur zwei Flugstunden von Berlin entfernt. Viele von uns machen sich große und berechtigte Sorgen. Dieser Krieg hat das Potenzial zu einem Flächenbrand zu werden. Das muss aus meiner Sicht unter allen Umständen verhindert werden. Es gibt unterschiedliche Ansätze: Den militärischen Ansatz, die Ukraine stärker auszurüsten, dass sie den Krieg gewinnen kann. Es gibt aber auch die Diskussion darüber, wie mehr Diplomatie zum Einsatz kommen kann. Ich habe eine klare Position dazu: Wir müssen der Ukraine helfen. Aber wir müssen alles dafür tun, dass es kein Flächenbrand wird. Das wird er dadurch, wenn die NATO und Deutschland in den Krieg hineingezogen würden.
Daher habe ich bei allen Abstimmungen zur Lieferung von TAURUS-Marschflugkörpern seit dem Januar letzten Jahres dagegen gestimmt. Mit dieser Auffassung stehe ich nicht alleine da. Sie ist momentan die Mehrheitsmeinung im Bundestag und wird auch von einflussreichen Diplomaten und Militärexperten geteilt. In meiner Fraktion ist meine Meinung in der Minderheit.
Über das Thema „Wie kann es zu einem Frieden in der Ukraine kommen?“ habe ich mit einem der ranghöchsten Militärs sprechen wollen, den Deutschland in den vergangenen Jahren hatte. Ich bin dankbar, dass der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr und General a.D. Harald Kujat dafür in meinen Wahlkreis gekommen ist. Er war in den 1970er Jahren Stabsoffizier bei den Verteidigungsministern Helmut Schmidt, Georg Leber, Hans Apel und war damit bei den wichtigen sicherheitspolitischen Fragen nah am Geschehen. Er diente auch drei Bundeskanzlern als enger Berater und Mitarbeiter: Helmut Schmidt, Helmut Kohl und Gerhard Schröder. Ab 1979 arbeitete er im Bundeskanzleramt unter Helmut Schmidt und erlebte dort hautnah die Zeit um den NATO-Doppelbeschluss und des Endes der sozial-liberalen Koalition. Schmidts Nachfolger im Amt, CDU-Bundeskanzler Helmut Kohl, legte ebenso Wert auf Kujats Meinung, so dass er in der von Horst Teltschik geführten Abteilung maßgeblich an Deutschlands Sicherheitsarchitektur mitgewirkt hat. Bevor er in den 1990er Jahren Verantwortung bei der NATO in Brüssel und im NATO-Hauptquartier in Mons übernommen hatte, war er im Führungsstab der Streitkräfte zuständig für die nukleare und weltweite Rüstungskontrolle, gerade auch zu Zeiten der Wiedervereinigung. Nach seiner Zeit bei der NATO hat er mit dem nächsten Bundeskanzler eng zusammengearbeitet. Unter der Regierung Schröder wurde er zunächst Leiter des Planungsstabes im Bundesministerium der Verteidigung und im Jahr 2000 Generalinspekteur. 2002 folgte dann der Vorsitz des NATO-Militärausschusses, des höchsten militärischen Gremiums der NATO. Er war damit die höchste militärische Autorität der NATO. Im Rahmen dessen war er Vorsitzender des NATO-Russland-Rates und der NATO-Ukraine-Kommission der Generalstabschefs.
General Kujat hat in seinen beruflichen Biografien alle großen sicherheitspolitischen Herausforderungen und Krisen hautnah miterlebt und als Offizier immer auch seinen Einfluss darauf genommen. Er hat dabei über Parteigrenzen hinweg mit den jeweiligen Entscheidungsträgern sowohl national als auch international zusammengearbeitet.
Wir haben an diesem Abend von ihm eine Einschätzung zum aktuellen Krieg in der Ukraine bekommen. Er hat seine Positionen, die sicherlich streitbar sind, vorgetragen. Diese aber mit sehr viel Erfahrungswissen und Kompetenz erläutert. Insgesamt ein gelungener Abend, der noch einmal zum Ausdruck brachte, dass es unterschiedliche Wege gibt, um zum Frieden in der Ukraine zu kommen und dass es eine hohe Sachexpertise in unserem Land gibt, die vor einer Ausweitung und weiterer Lieferung von schwersten Waffen abrät, weil dies, diesem Ziel nicht dient.
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