ABC-Abwehrregiment in Strausberg besucht
Am 29. Januar 2024 besuchte ich zusammen mit meinem Bundestagskollegen und stellvertretenden Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses, Henning Otte, das ABC-Abwehrregiment 1 (ABCAbwRgt 1) in Strausberg. Soldaten aus meinem Wahlkreis hatten diesen Besuch angeregt, weil sich dieses relativ junge Regiment in einer erheblichen personellen Schieflage befindet.
Das ABCAbwRgt 1 wurde im April 2022 in Dienst gestellt. Oberstleutnant Frank Prause hatte aktiv an der Aufstellung mitgewirkt und führt das Regiment seitdem als stellvertretender Kommandeur. Und hier zeigt sich schon ein Teil des Problems: Der Dienstposten des Kommandeurs ist haushaltstechnisch gesperrt. Derzeit gibt es 186 Dienstposten, die laut Plan inzwischen auf 705 Dienstposten angewachsen sein sollten. Das ist bisher nicht geschehen. Der fehlende Aufwuchs hat Auswirkungen auf die Einsatzfähigkeit und damit auch auf die Motivation der Truppe. Viele Soldaten hatten sich aufgrund der avisierten Entwicklung im nordöstlichen Stadtrand von Berlin angesiedelt und sind nun entsprechend verunsichert.
Die Gründe für diesen Zustand liegen nicht im Fachkräftemangel. Motivierte Fachkräfte bewerben sich regelmäßig in Strausberg, werden aber mit dem Hinweis abgelehnt, dass es keine freien Dienstposten gebe. Die Bundeswehr steht sich hier mit bürokratischen Hürden und mangelnder Flexibilität bei der Einstellung dringend benötigten Personals selbst im Weg. Hier beißt sich die Katze in den Schwanz: Denn es wird nur so viel Material bewilligt, wie die bestehenden Dienstposten benötigen. Gibt es weniger Material, wird weniger Infrastruktur bereitgestellt. Steht zu wenig Infrastruktur zur Verfügung, können die Dienstposten nicht aufwachsen.
Platz ist in der Barnim-Kaserne genug. Ausgebildete Fachkräfte stehen bereit oder können als Fachdienst-Feldwebel in einer 21-monatigen ZAW (Zivilberufliche Aus- und Weiterbildung) in Berlin-Grünau aufgebaut werden. Der Standort ist wegen seiner Nähe zu Berlin infrastrukturell sehr attraktiv. Vom Berliner Hauptbahnhof bis nach Strausberg hatten wir mit dem Auto weniger als eine Stunde gebraucht.
Weiteren Einfluss auf die Situation in Strausberg haben die regen Ministerwechsel seit 2019 und die damit verbundene Anpassung der Schwerpunkte. So hatte Annegret Kramp-Karrenbauer im Mai 2021 ein Eckpunktepapier herausgebracht, das erhebliche Eingriffe in die Struktur der Streitkräftebasis (SKB) vorsah. Da die ABC-Abwehr der SKB untersteht, ist sie von Entscheidungen bezüglich der SKB unmittelbar betroffen. Die Nachfolgerin, Christine Lambrecht, hatte das Eckpunktepapier auf Eis gelegt. Deren Nachfolger, Boris Pistorius, hatte am Ende seiner jüngsten Rede auf der Bundeswehrtagung 2023 deutlich gemacht, dass die Struktur der SKB einer erneuten Prüfung unterzogen werde.
Einen großen Einschnitt erlebte die SKB bereits im September 2022, als das Territoriale Führungskommando (TerrFüKdoBw) aufgestellt worden war. Mit diesem Schritt wurden alle 16 Landeskommandos, das Wachbataillon, die Heimatschutzeinheiten sowie die Sportförderung und entsprechendes Stabspersonal aus der SKB ausgegliedert. Erster Befehlshaber des TerrFüKdoBw war der jetzige Generalinspekteur, General Carsten Breuer. Seit Oktober 2015 ist Generalleutnant Martin Schelleis der Inspekteur der Streitkräftebasis. Der SKB unterstehen aktuell die Logistik, das Feldjägerwesen, die Militärmusik, Das Diensthundewesen, die ABC-Abwehr und weitere – im Prinzip alle Fähigkeiten, die je nach Bedarf zur Unterstützung anderer Einheiten der Bundeswehr eingesetzt werden können.
Die Spezialisten der ABC-Abwehr würden es begrüßen, wenn sie weiterhin als zentrale Anlaufstelle für die Abwehr von atomaren, biologischen und chemischen Kampfstoffen dienen können und damit der gesamten Bundeswehr mit den jeweils benötigten Fähigkeiten zur Verfügung stehen könnten. Das gewährt eine höhere Flexibilität und eine effiziente Nutzung spezialisierter Expertise. Apropos Expertise: Im Rahmen der NATO Response Force (NRF) ist das Fachpersonal aus Deutschland sehr gefragt. Gerade im letzten Jahr fanden entsprechende multinationale Übungen wie „Platinum Mask 2023“ statt, bei denen militärische ABC-Ereignisse simuliert wurden, aber erstmals auch in großem Maßstab mit zivilen Kräften zusammen geübt wurde. Letzteres wird immer wichtiger, da die Bundeswehr per Zuständigkeit nur für militärische Zwecke tätig wird und bei zivilen Dingen immer im Rahmen der Amtshilfe-Antrag angefordert werden muss. Das THW und die Feuerwehr haben zwar eigene Fachkräfte auf diesem Gebiet. Allerdings reichen diese bei der aktuellen Bedrohungslage nicht wirklich aus.
Grundsätzlich ist zu erwähnen: ABC-Abwehreinheiten sind keine Kampfeinheiten. ABC-Abwehreinheiten unterstützen kämpfende und andere Truppen im Falle eines ABC-Ereignisses. Der allgemeine Umgang mit ABC-Ereignissen zählt zu den Grundfähigkeiten jedes Soldaten. Kommt es zu einem ABC-Ereignis, muss die betroffene Einheit eigene Maßnahmen ergreifen und gleichzeitig die ABC-Abwehrkräfte anfordern. Die ABC-Abwehrkräfte ermitteln die Art des Kampfstoffes, beraten den militärischen Führer bezüglich der weiteren Maßnahmen und dekontaminieren Fahrzeuge, Geräte und Personen. Nach spätestens sechs Stunden muss die Truppe dekontaminiert und wieder einsatzfähig sein.
Der Besuch in Strausberg war sehr spannend. Immer wieder bin ich von der Professionalität der Bundeswehr beeindruckt. In ausführlichen Gesprächen mit der Truppe konnte ich einen fundierten Eindruck der Situation gewinnen und mein Kollege Henning Otte, nimmt die Impulse mit in den Verteidigungsausschuss. Wir sind guter Hoffnung, dass wir gemeinsam das Problem der blockierten Dienstposten in Strausberg gelöst bekommen.
Titelfoto von links nach rechts: Oberst i.G. Stephan Saalow (Kommandeur des ABC-Abwehrkommandos der Bundeswehr), Mario Czaja MdB (Bundestagsabgeordneter für Marzahn-Hellersdorf), Henning Otte MdB (stellvertretender Vorsitzender des Verteidigungsausschusses des Bundestages)
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